Im Winter fand sich mit Clara Rietz vom PSV und Hannah-Sophia Weggässer vom SVEW ein neues 420er Team zusammen. Erklärter Anspruch, auch die großen überregionalen und internationalen Regatten anzufahren. Nun gehört Segeln ja zu jenen Sportarten, bei denen Material und Logistik leidiger Weise immer mit „Part of the Game“ sind.
Da aber beide Mädels vorher einige Zeit im Landeskader segelten, konnten beide Elternteile jeweils davon ausgehen, dass dem Anderen dies auch bewusst ist und sich darauf einlassen. Ein beruhigendes Gefühl.
Als erstes Saison Highlight stand nun über das Pfingstwochenende 2019 die Young Europeans Sailings – YES im Regattakalender. Mit am Start aus dem Land Brandenburg im 420er waren auch xxxxx xxxxx und Jacob Bartels (SVEW) und das Team Hanna Emmer (SVKL) und Karen Fischer (SGSP).
Da kein richtiger Trainer verfügbar war, begleiteten eben die Väter der beiden diese Regatta zu Land und auf dem Wasser. Die grobe Kompetenzverteilung der beiden „Coach-Uwes“ beim Einstieg in das Unterfangen war: Ich kenne schon (etwas) die Gegebenheiten in und vor Kiel und der SVEW stellt ein Coachboot. Und was für eines! See- und Schwerwettertauglichkeit wird kein Thema sein. Und auch die Gepäcksituation ist dank dieses Schlauchbootes komfortabel entspannt als wir am Freitag gegen 16.30 Uhr vom Gelände des SVEW rollen.
Nach einer akzeptablen Fahrzeit von 4,5 Stunden stehen wir mit dem Gespann vor einer verschlossenen, aber nicht abgeschlossenen Schranke zur Sliprampe im Olympiahafen Kiel Schilksee. Getreu dem Motto „bloß nicht fragen, einfach machen“ wird diese kurzerhand geöffnet und wir wassern das Coachboot ein. Weiter im Programm für diesen Abend: Zeltplatz einchecken, Stellplatz suchen (schon gut gefüllt der Platz), Camp einrichten, etwas essen, Nachtruhe. Verpflegung gab es dann aus der Kühlbox. Da der Bratwurst-, Pommes-, Crepes-, Backfisch-, HotDog-, und leider auch der Eiswagen bereits geschlossen waren, als wir uns zu diesem Punkt vorgearbeitet hatten.
Erster Tag, Startzeit ist für 13.00 Uhr angesetzt. Für die Mädels ein volles Programm mit Melden, Boot aufbauen, Steuermannsbesprechung. Zwischendurch immer mal wieder besorgtes Wischen auf dem Smartphone. Die Prognosen weisen über den Nachmittag zunehmend Spitzen von satt 30+ kn aus und beide waren als ein Team noch nicht zusammen bei derartigen Bedingungen auf dem Wasser. Bei unserer „Einweisung der Begleitboote“ (auf Englisch) klingt aber durch, dass die Wettfahrtleitung zumindest eine Wettfahrt starten wird. Kiel eben…
Über Nacht und den Vormittag hat sich der Coachboot-Bereich offenbar weiter gefüllt und wir liegen mittlerweile innen im Dreierpäckchen. Als wir uns klariert haben, waren die Mädels schon auf dem Weg zur Regattabahn. Die 420er haben die Bahn Echo. Das bedeutet hinter der Landzunge Bülk, 5 sm Anreise nach draußen. Auf unserem Weg dahin gilt es, Schwert zeigende Laser zu umfahren. Auch manch 420er legt bereits das Segel flach.
Mit 97 Meldungen starten die 420er in 2 Gruppen auf einem Trapezkurs. Beide Starts laufen glatt durch. Zum einen scheint das Feld arg ausgedünnt und bei einem Grundwind von 24 kn lassen sich wohl auch die ausgebufftesten Profis nicht auf enge Situationen ein. Für unsere beiden Mädels heißt es sowieso Strategie = Ziel = Überleben. Der 26., den die beiden an diesem Tag ins Ziel fahren, verdient größten Respekt. Vor allem die Tatsache es, zwei Kenterungen inklusive, überhaupt über den Kurs geschafft zu haben. Über 40 Boote konnten das nicht von sich sagen. 4 neue Masten mussten abends eingetrimmt werden und unser Team zog den Reserve Spibaum aus der Schutzhülle. Part of the Game…
Der zweite Tag sieht weit friedlichere Bedingungen und die beiden finden sich nach kontinuierlich verbesserter Platzierung am Ende im Silverfleet wieder. Die „Coaches“ vermeiden es heute mit dem Feld zur Luvtonne mitzugehen und werden so Zeuge von nervenzerfetzend spannenden Positionskämpfen am Gate und beim Schluss-Sprint ins Ziel. Als die beiden nach der ersten Wettfahrt kurzerhand den Mast noch einmal komplett „umlochen“, sehe ich mich nur noch als staunenden Beobachter.
Am dritten Tag, Final Races, hatte der Wind auf Ost gedreht und auf der Bahn Echo baut sich die legendäre laaange Ostseewelle auf. Eine Welle, die auch mit dem Coach Boat „Spaß“ machen konnte. Die Prognosen wurden fortlaufend nach oben korrigiert, aber nichts was nach dem ersten Tag schocken konnte. Außerdem munkelten die beiden lächelnd vom „110er Trimm“. Was immer das bedeutete, ich weiß nur, dass ich angesichts der Rigg Spannung fragte, warum sich der Rumpf nicht einfach zusammenfaltet.
Nach der ersten Wettfahrt wurde wieder einmal der Start als ein wesentliches Manko identifiziert. In der letzten Wettfahrt riskierten die beiden nach einem allgemeinen Rückruf, einem Startabbruch und schlussendlich unter Black Flag offenbar etwas mehr. Jedenfalls kamen die beiden an 5. Stelle liegend am Gate zum Inner Loop wieder an. Sensationell. Auf der folgenden Kreuz hatte die bevorteilte Seite wohl gewechselt, was für die Beobachter wieder eine nervenaufreibend spannende Aufholjagd auf dem Vorwind und dem kurzen Sprint zum Ziel bedeutete. Am Ende hieß es wieder 5.Platz in der Wettfahrt und 56. in der Gesamtwertung. Klasse Ergebnis.
Jens-Uwe Herrmann